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Tierschutzvolksbegehren

Das erste Tierschutzvolksbegehren in Österreich, das „Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes“ wurde von der FPÖ und von den Grünen initiiert. Organisatorin war Gerda Maties vom Internationalen Bund der Tierversuchsgegner. Das Volksbegehren fand die Unterstützung von 459.096 Österreichern (Rang 14 von 50 Volksbegehren, Stand 2020), Eintragungswoche war von 18.3. - 25.3.1996.

Kurzbeschreibung

Das Volksbegehren stellte folgende zentrale Forderungen auf:

 

  1. Die Verankerung des Tier- und Umweltschutzes als Rechtsgüter im Verfassungsrang.
  2. Die Einrichtung einer unabhängigen, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Tieranwaltschaft zur Wahrnehmung des Interesses der Tiere an ihrem Wohlergehen und zur Kontrolle des Vollzugs in Tierschutzangelegenheiten. Der Tierschutzanwaltschaft sollte Parteistellung im Verfahren nach dem Bundes-Tierschutzgesetz eingeräumt werden.
  3. Die Anerkennung des Tierschutzes als öffentliches Anliegen sowie die ideelle und finanzielle Förderung der Tierschutzarbeit durch die öffentliche Hand.

 

1996 war der Tierschutz in neun unterschiedlichen Landesgesetzen geregelt, die Freiheitlichen und die Grünen unterstützten das Begehren im Nationalrat. Trotz der rund 460.000 Unterstützungserklärungen wurde das Begehren zwar im Nationalrat behandelt, zur Schaffung eines einheitlichen Tierschutzgesetzes kam es damals aber nicht. 

Auswirkungen

Erst 2004 wurden die zentralen Forderungen des Plebiszits aus dem Jahr 1996 umgesetzt.

Text des Volksbegehrens

Volksbegehren

zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes


Die Unterstützer dieses Volksbegehrens regen die Schaffung der kompetenzrechtlichen Voraussetzungen zur Erlassung eines Bundes-Tierschutzgesetzes und die Verabschiedung eines Bundes-Tierschutzgesetzes, das u.a. folgende Bestimmungen zu enthalten hat, an:

I.

die Verankerung des Tier und Umweltschutzes als Rechtsgüter im Verfassungsrang; Tierschutz ist eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit (Verfassungsbestimmung);

II.

die Einrichtung einer unabhängigen, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Tieranwaltschaft zur Wahrnehmung des Interesses der Tiere an ihrem Wohlergehen und zur Kontrolle des Vollzugs in Tierschutzangelegenheiten. Der Tierschutzanwaltschaft ist Parteistellung im Verfahren nach dem Bundes-Tierschutzgesetz einzuräumen;

III.

die Anerkennung des Tierschutzes als öffentliches Anliegen sowie die ideelle und finanzielle Förderung der Tierschutzarbeit durch die öffentliche Hand.

Insbesondere sollte das Bundes-Tierschutzgesetz Vorschriften über das Verbot der Tierquälerei, über das Schlachten und Töten von Tieren, über den Handel mit und das Zurschaustellen von Tieren sowie Grundsätze der Heim- und Nutztierhaltung und Vollzugsbestimmungen enthalten.

§ 1 – Achtung vor der Würde des Tieres (Verfassungsbestimmung)

Tiere besitzen mitgeschöpfliche Würde. Diese ist im Umgang mit Tieren jeder Art und Bestimmung zu achten und findet ihren Ausdruck insbesondere im Recht des Tieres auf einen seiner Art entsprechenden Lebensvollzug. Ebenso ist die Umwelt als lebendes Ökosystem zu respektieren und vor Schadenszufügung zu schützen.

§ 2 – Tieranwaltschaft/Parteistellung der Tieranwaltschaft

(1) Die Tieranwaltschaft ist ein aus öffentlichen Mitteln finanzierter Verein, der am Vollzug des Bundes-Tierschutzgesetzes mitwirkt. Insbesondere obliegt ihm die Vertretung der Interessen der Tiere als Partei im Verfahren nach dem Bundes-Tierschutzgesetz, die Beratung exekutiver und legislativer Organe in Tierschutzangelegenheiten sowie die Weiterentwicklung des Tierschutzrechtes. Die Mitglieder (Abs. 2) sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig. Die Tieranwaltschaft untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Umwelt.

(2) Die Tieranwälte/Tieranwältinnen müssen über ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften verfügen und eine mindestens zehnjährige Erfahrung in der praktischen Tierschutzarbeit nachweisen. Sie werden von Tierschutzvereinen, die ihre Tätigkeit seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet ausgeübt haben, nominiert. Ihre Ernennung erfolgt durch das Bundesministerium für Umwelt.

(3) Die Tieranwälte/Tieranwältinnen besitzen im Verfahren nach dem Bundes-Tierschutzgesetz Parteistellung.

§ 3 – Förderung des Tierschutzes aus öffentlichen Mitteln

Der Tierschutz ist aus öffentlichen Mitteln zu fördern. Insbesondere obliegt den Gebietskörperschaften

        1.   die Finanzierung des Investitionsaufwandes sowie des laufenden Personals und Sachaufwandes der Tieranwaltschaft;

        2.   die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich des Tierschutzes;

        3.   die Finanzierung geeigneter Maßnahmen zur Förderung des Tierschutzes in den Bereichen von Erziehung, Unterricht und Bildung;

        4.   die Förderung der Tätigkeit von gemeinnützigen Tierschutzvereinen und Tierheimen;

        5.   die Förderung von artgerechter Tierhaltung sowie die Finanzierung von Maßnahmen, die zur Umstellung auf artgerechte Tierhaltung erforderlich sind.

ARGUMENTE für ein Bundestierschutzgesetz

Der Tierschutz wird in Österreich derzeit durch neun Landesgesetze geregelt, die sehr unterschiedliche Vorschriften enthalten. Dies widerspricht dem Bedürfnis nach Rechtseinheitlichkeit, Rechtssicherheit und Transparenz. Die geltende Rechtslage ist ungeeignet, den Bedürfnissen nach einem modernen Tierschutz gerecht zu werden. Ihre Unzulänglichkeit zeigt sich vor allem in der

* Ungleichbehandlung der Tiere in den einzelnen Bundesländern

Die durch die verschiedenen Landes-Tierschutzgesetze geregelten Tatbestände variieren beträchtlich: So enthalten zB das Tiroler und das Burgenländische Tierschutzgesetz keine Regelung über das Schlachten von Tieren, die Pelztierzucht ist nur im Wiener und im Kärntner Tierschutzgesetz sowie in der Steiermärkischen Intensivtierhaltungsverordnung ausdrücklich erfaßt, Mindestanforderungen für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sind lediglich in der Steiermark und in Vorarlberg (jeweils im Verordnungsweg) vorhanden. Die vorgesehenen Höchststrafen liegen zwischen maximal 3 000 S (!) in Oberösterreich und 100 000 S in Wien, Kärnten und der Steiermark.

Es ist nicht einzusehen, warum ein Tier in einigen Bundesländern schlechter behandelt werden darf als in anderen. Ebenso unverständlich ist es, daß die Gesetzeslage „Tierquäler-Eldorados“ schafft.

* Unübersichtlichkeit und Unvollziehbarkeit des Normenbestandes

Die Zersplitterung der Vorschriften auf neun Gesetze und etliche Verordnungen behindert den Vollzug des Tierschutzrechtes.

In der Schweiz wurde das ehemals kantonale Tierschutzrecht längst vereinheitlicht. Der Schweizer Verein „Tierschutz ist Rechtspflicht“ hat die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung so begründet: „Die Kompetenzzuweisung an den Bund rechtfertigt sich aus dem Rechtsanliegen des Tierschutzes, das zum Kulturempfinden des westlichen Abendlandes gehört und keine – je nach Bundesland – unterschiedliche Regelung duldet.“

Bereits heute bestimmt § 285a ABGB, daß Tiere keine Sachen sind. Im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung ist dieser Norm im Kernstück des Tierschutzrechtes, nämlich im Verwaltungsrecht, Rechnung zu tragen.

Jüngst haben die Regierungsparteien in ihrem Arbeitsübereinkommen für die laufende Legislaturperiode zum Thema „Tierschutz“ Stellung genommen; sie erklären darin für „eine Verbesserung des Tierschutzes im nationalen und internationalen Bereich, für die Weiterentwicklung der Regelungen betreffend den Tiertransport sowie für ökologische Mindeststandards in der Produktion“ einzutreten.

Vor der Abstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union haben Vertreter der Österreichischen Bundesregierung betont, Österreich werde in den Bereichen des Tier- und Umweltschutzes eine Vorreiterrolle innerhalb der EU einnehmen. Die Umsetzung dieses Anspruchs wird nunmehr eingefordert.

Begründung

§ 1 – Tierschutz im Verfassungsrang

Durch diese Bestimmung wird der Tierschutz als Rechtsgut im Verfassungsrang anerkannt. Ohne verfassungsrechtliche Verankerung des Tierschutzes ist dieser – dem Stufenbau der Rechtsordnung entsprechend – automatisch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen untergeordnet, sodaß es im Kollisionsfall nicht einmal zu einer Rechtsgüterabwägung kommen kann. Diese Rechtslage ist in einer Zeit des eskalierenden Mißbrauchs der Mitgeschöpfe (zB Gentechnik) untragbar. Nicht zuletzt diese Überlegungen haben die Schweiz dazu veranlaßt, den Tierschutz in ihre Verfassung aufzunehmen und ihm die Gleichrangigkeit mit anderen Staatszielen zuzuerkennen. [Vgl. Thomas Fleiner: Das Tier in der Bundesverfassung. – In: Antoine F. Goetschel (Hrsg.): Recht und Tierschutz, Hintergründe – Aussichten. – Bern, Stuttgart, Wien: Paul Haupt Verlag 1993. S. 14.]

§ 2 – Tieranwaltschaft

Das Sprichwort ,,Wo kein Kläger, da kein Richter“ trifft auf den Vollzug im Bereich des Tierschutzrechtes in besonderem Maße zu. Der massiven und skrupellosen Ausbeutung des Tieres in unserer Gesellschaft, die sich zu Pluralismus und Interessenausgleich bekennt, steht im Bereich des Tierschutzes kein Widerpart gegenüber, der zur Wahrnehmung des Interesses der Tiere an ihrem Wohlergehen berufen wäre. Die Vollzugsbehörden, welchen diese Funktion in der Theorie zufällt, sind damit eindeutig überfordert: Rechtstheoretisch wie psychologisch ist es unmöglich, objektive Rechtsfindung unter gleichzeitiger Wahrnehmung der Interessen einer „Partei“ zu praktizieren. Als verletzte „Partei“ kann sowohl die in ihrem ethischen und rechtlichen Empfinden verletzte Allgemeinheit als auch das geschädigte Tier betrachtet werden. Die Institution einer Tieranwaltschaft erfüllt daher nicht zuletzt auch eine Entlastungsfunktion für die Behörden. [So auch Antoine F. Goetschel und Peter Wirth: Juristischer Argumentationskatalog zur eidgenössischen Tierschutzinitiative. Hrsgeg. v. Schweizer Tierschutz (STS) 1989. S. 106 f.]

Die Tieranwaltschaft soll dem krassen Vollzugsdefizit im Tierschutzbereich entgegenwirken, indem sie durch die Wahrnehmung der Interessen der Schwächeren dem extremen Interessenungleichgewicht entgegenwirkt. Die Einrichtung der Tieranwaltschaft ist nach dem in Vorbild der Patientenanwaltschaft (§ 13 Unterbringungsgesetz, Vereinssachwalter und Patientenanwaltschaftsgesetz) konzipiert, die seit 1990 die Rechte der Patienten im gerichtlichen Unterbringungsverfahren wahrnimmt.

Der Tieranwaltschaft ist Parteistellung im Verfahren nach dem Bundes-Tierschutzgesetz einzuräumen, da das Vollzugsdefizit in Tierschutzangelegenheiten de lege lata nicht zuletzt auf die mangelnde Beschwerde und Rechtsmittellegitimation sowie auf die Verweigerung des Rechtes auf Akteneinsicht zurückzuführen ist. Die Rechtsinstitute der Verbandsbeschwerde und der Parteistellung zur Wahrnehmung objektiven Rechts ist dem österreichischen Recht keineswegs fremd: § 29 des Konsumentenschutzgesetzes und § 14 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sehen die Wahrnehmung bestimmter Ansprüche durch Interessenvertretungen vor, § 44 Kartellgesetz räumt den dort genannten Körperschaften des öffentlichen Rechts Parteistellung im kartellgerichtlichen Verfahren ein.

In der Schweiz hat sich das seit 1966 (!) in den Bereichen des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes bestehende Verbandsklagerecht bestens bewährt. (Vgl. Goetschel/Wirth: Juristischer Argumentationskatalog. S. 122 ff.)

§ 3 – Förderung des Tierschutzes

Schon jetzt erklären die neun Tierschutzgesetze den Tierschutz vielfach zum öffentlichen Anliegen (vgl. § 2 des Kärntner und § 2 des Tiroler Tierschutzgesetzes). Ein diesem Bekenntnis entsprechendes Handeln ist nunmehr einzufordern. Der Bund als (künftiger) Gesetzgeber im Tierschutzbereich und die Länder als Exekutive haben die Tierschutzanwaltschaft gemeinsam zu finanzieren. Realistisch erscheint vorerst ein Tierschutzanwalt/eine Tierschutzanwältin pro Bundesland, wobei der Bereich des Denkmalschutzes (Landeskonservatoren, Bundesdenkmalamt) als organisationsrechtliches Modell dienen könnte.

Es geht nicht an, daß ein öffentliches Anliegen zum weitaus überwiegenden Teil auf private und ehrenamtliche Initiativen abgewälzt wird. Der Bund hat daher ua. Tierheime zu finanzieren, die Tätigkeit gemeinnütziger Tierschutzvereine zu subventionieren, Lehrerfortbildung im Tierschutzbereich finanziell und ideell sowie durch legistische Maßnahmen zu unterstützen, für artgerechte Tierhaltung zu werben und diese (zB unter Heranziehung des von Univ.-Doz. Dr. Bartussek konzipierten Tiergerechtheitsindex) durch Prämien zu fördern.

Abrufbar unter:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XX/I/I_00171/fnameorig_139053.html

Weblinks, Quellen

BMI. Alle Volksbegehren der zweiten Republik: https://www.bmi.gv.at/411/Alle_Volksbegehren_der_zweiten_Republik.aspx

OTS0174, 21. Mai 2004: Tierschutzgesetz: Der lange Weg der FPÖ zum Ziel: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20040521_OTS0174/bleckmann-tierschutzgesetz-der-lange-weg-der-fpoe-zum-ziel

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