Skip to main content
DE / EN
13. Juli 2020

Die Zweite Republik Österreich und ihre Besonderheiten

von ao. Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt

Verlag: Boehlau Verlag, ISBN 978-3-205-21158-7

Im neuen Buch von Lothar Höbelt geht es nicht um eine Chronik der österreichischen Geschichte seit 1945, sondern um jene Besonderheiten der „Zweiten Republik“, die uns von den Nachbarn im Westen unterscheiden, spezifisch sind dies Neutralität, Entnazifizierungsbeschwerden, enormer Parteieneinfluss, Verstaatlichte und Sozialpartnerschaft.

So gab es in Österreich einen überdimensionierten Verstaatlichten-Sektor, der auf Dauer nicht leben und nicht sterben konnte: Die SPÖ wehrte sich gegen jegliche Beteiligung von Privatkapital, die ÖVP gegen jede Expansion über die Grundstoffindustrie hinaus. Und es gab natürlich die vielbeschworene Sozialpartnerschaft, die für sozialen Frieden sorgte. Es gab nur ganz wenige Streiks – aber das war in der BRD oder der Schweiz genauso. Die Spezialität der österreichischen Sozialpartner aber war, dass sie mit den aus der Kriegswirtschaft übernommenen Regelungen viel länger und viel nachhaltiger in die Wirtschaft eingriffen als anderswo!

Die sogenannte „Entnazifizierung“ war ein ungeliebtes Kind der Großen Koalition. Man wollte die politischen Funktionäre der NSDAP los werden, aber nicht pauschal alle Parteimitglieder bestrafen. Die SPÖ befürchtete auf Grund einer solchen „Säuberung“ eine komplett schwarz eingefärbte Hochbürokratie, die ÖVP wiederum schweren Schaden für die Wirtschaft. Doch die Sowjets und die Franzosen bestanden auf diesen Paragraphen. Die Amerikaner rieten den Österreichern, das Gesetz zu akzeptieren – und es in der Praxis ganz einfach nicht so streng durchzuführen. Im ÖVP-Klub erhob sich gegen das Diktat dennoch massiver Widerstand. Es wurde schließlich beschlossen in der Hoffnung, dafür früher zum Staatsvertrag zu kommen – doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch...

Die FPÖ bzw. ihre Vorgängerpartei VdU (Verband der Unabhängigen) spielten eine große Rolle bei der Umsetzung des „Raab-Kamitz-Kurses“ von 1952 bis 1957, der Stabilisierung des Schilling und der Liberalisierung der Wirtschaft. Wann immer die SPÖ sich quer legte, drohte Raab – trotz „Großer Koalition“ - mit der bürgerlichen Mehrheit im Parlament. Raab war es auch, der Anton Reinthaller – den ersten Obmann der FPÖ - 1954/55 aufforderte, in die Politik zurück zu kehren. Erst nach der gemeinsam verlorenen Bundespräsidentenwahl von 1957 hörte die schwarz-blaue Zusammenarbeit auf. Die Große Koalition mündete in eine gegenseitige Blockade. In beiden Parteien kämpften „Reformer“ gegen den Stillstand: Bei der ÖVP Josef Klaus, bei der SPÖ Franz Olah, dann Bruno Kreisky.

Viele der Besonderheiten dieser Zweiten Republik haben sich in den achtziger und neunziger Jahren im Zeichen von Mauerfall, Globalisierung, Privatisierung und Parteienvielfalt abgeschliffen: Leben wir seither nicht eigentlich bereits in der „zweieinhalbten“ Republik?

© 2024 Freiheitliches Bildungsinstitut. Alle Rechte vorbehalten.